Anna & Jakob Baumgartner

Die Reise einer besonderen Liebe

Als Seemann hat Köbi Baumgartner die halbe Welt gesehen. Doch seine grosse Liebe, Anna, hat er im Appenzell gefunden. Das Wallis hat immer wieder eine grosse Rolle im Leben von Anna und Köbi gespielt, bis sie schliesslich nach der Pension im Tal geblieben sind. Bereut haben es beide nie.   

Kurs Richtung Freiheit – Vom Atlantikwind getragen – Jakobs wilde Jahre auf hoher See

Seine allererste Fahrt startete im Hafen von Hamburg und führte Jakob nach Halifax, Kanada. Von Halifax führte die Reise über Newport bis nach Puerto Rico. 

Der Beginn einer Leidenschaft

Am 10. Januar 1965 erlebte Jakob Köbi Baumgartner sein erstes Einschiffen im Hafen von Hamburg. Als junger Mann und gegen den Willen seiner Familie, ging er an Bord eines Frachtschiffes (MS Sunamelia) der Zürich Shipping, welches unterschiedlichste Güter von Europa nach Nordamerika, von Nordamerika in die Karibik und auf demselben Weg zurück lieferte. ,,Ob Mehl, Chartoffle, Sigarette, Aluminiumerz...miär händ fasch alles transportiert.'' Als gelernter Käser war er sich Sauberkeit gewöhnt und wurde sofort als Messboy angestellt. Seine Aufgaben auf dem Schiff waren vielseitig und nicht immer einfach. Egal ob es um das Servieren von Speisen, das Abwaschen des Geschirrs oder das Saubermachen der Toiletten ging, Köbi hat einfach alles gemacht.

Dschungelliebe in Trinidad

Ich frage ihn, ob er mir von einem speziellen Erlebnis seiner Zeit auf hoher See erzählen könne. Schmunzelnd sagt er: ,,da häts vili gä…weisi gar nöd rächt wo afa.’’ Nach kurzer Bedenkzeit beginnt Jakob zu erzählen. Als sein Schiff, auf einer der vielen Reisen, im Port of Spain in Trinidad und Tobago angelegt hatte, lernte er auf einem Landgang eine einheimische Frau kennen, die es ihm sofort angetan hatte. ,,Wär das erlaubt gsi, wäri gad bire blibe.’’
Er hat die junge Frau bei ihrer Familie im Jungel besucht. Zum Mittagessen gab es Affenfleisch und geschlafen hat er mit seiner ’’Freundin’’ und deren gesamter Familie auf einem grossen Bett. ,,Äs isch scho ä chlii verrückt gsi, weni so zrugg dänke.’’
Als er dann wieder zurück auf das Schiff musste, versuchte er auch noch die letzten Sekunden mit der jungen Frau zu geniessen, was dazu führte, dass sein Schiff bei seiner Ankunft im Hafen, bereits ausgelaufen war. Dies kam Köbi teuer zu stehen.
,,Ich ha äm Schiff müesse nahflüge und denn no äs Lootseboot zahle dasi wieder an Bord ha chönne. Älei der Flug het damals 1700 Schwizerfranke choschtet!’’ Zu allem Übel bekam er auch noch eine Strafe von der Reederei. Er hatte für die nächste Reise, welche immerhin fünf Monate dauerte, absolutes Landgangverbot.

Feuer auf hoher See

Am 15. Juli 1967 legte das Schiff von Jakob Baumgartner im Hafen von Rotterdam an. Hier endete seine Zeit auf hoher See. Bis dahin war Köbi mehr als 30 Monate auf See ohne Rückkehr in die Schweiz zu seiner Familie.
Die Entscheidung nicht mehr weiter zur See zu fahren hat einen traurigen Hintergrund. Jakob erlebte auf dem Schiff, was wohl kein Seemann je erleben möchte. Auf hoher See zwischen Halifax und Europa brach auf einmal ein gewaltiges Feuer auf dem Schiff aus. Die gesamten Crewquartiere sind ausgebrannt. ,,I han alles verlore wani bsässe ha!’’
Am schlimmsten für Köbi war aber der Verlust eines engen Freundes. Bei diesem Brand kam ein junger Mann aus Jamaica ums Leben, mit welchem er einen sehr guten und engen Kontakt pflegte und welcher ihm die englische Sprache beibrachte. An diesem Punkt stand für Jakob fest, dass er nicht mehr weiter auf dem Schiff bleiben wird. Und so kehrte er im Sommer 1967 in seine alte Heimat, die Schweiz zurück.

Zwischen Tanz und Zufall

Wie zwei Wege sich im Appenzellerland kreuzen sollten

Annas frühe Jahre

Im Gegensatz dazu spielte sich Anna’s Leben in der Schweiz ab. Nach der obligatorischen Schulzeit absolvierte sie eine Ausbildung als Kleinkindererzieherin und arbeitete später als Schwesternhilfe im Spital in St. Gallen. Vor der Hochzeit mit Köbi arbeitete Anna noch drei Jahre als Kindermädchen bei einer Familie in Krohnbühl (St. Gallen). Hier übernahm Anni alle Aufgaben im Haus und kümmerte sich auch um die Erziehung der Kinder. Diese Zeit war eine gute Vorbereitung für die Gründung der eigenen Familie.

,,Da de Köbi später als Chauffeur gschaffet het und hüfig wäg gsi isch bin i dehei eigentli für alles verantwortlich gsi.’’ Anna hat ihre Rolle als Hausfrau und Mutter aber immer sehr gerne gemacht. Sie hat auch immer etwas zur Haushaltskasse beigesteuert, indem sie zuhause Stickereien ausgeschnitten und damit ihr Geld verdient hat.

Ein Tanz, zwei Wege – das erste Treffen

Nun interessiert mich natürlich brennend, wie Anna und Jakob zueinander gefunden haben. Auf die Frage, wie ihre Liebesgeschichte begonnen hat, antwortet Köbi sofort: ,,z’Militär het e wichtigi Rolle gspillt.’’ Nach seiner Zeit auf hoher See sei er im August 1967 eingerückt, um die RS abzuschliessen. Dies war nötig, da er sich als 19-Jähriger während der Rekrutenschule, nach einem Sturz aus fünf Metern, einen 7,5 Zentimeter langen Leberriss zugezogen hatte und daraufhin aus dem Militär ausscheiden musste.

Anna erzählt daraufhin, dass sie an einem Wochenende mit ihren besten Freundinnen Martha und Luzia in Stein (Appenzell Ausserrhoden) zum Tanzen im Ausgang war. Sie waren zuerst an einer Veranstaltung in St. Gallen und haben dort vier junge Männer kennengelernt. Gemeinsam fuhren sie dann mit dem Wagen von Anna’s Vater nach Stein. Auch Jakob war mit einem Freund aus dem Militär anwesend. ,,De Köbi isch ä guete Tänzer gsi und het de ganzi Abend mit dere Frau tanzet.’’ Auf einmal schnappte sich Jakobs Begleiter ebendessen Tanzpartnerin und verschwand mit ihr. Köbi liess sich aber nicht beirren und tanzte einfach mit Anna’s Freundin Martha weiter.
Als die Nacht langsam dem Ende zuging, wollte Anna mit ihren Freundinnen nach Hause fahren. Doch Köbi war auch noch da und suchte nach einer Mitfahrgelegenheit. Anna schmunzelt: ,,de hani de Köbi halt bis Abtwil mitmer gno.’’
Das war das erste Aufeinandertreffen der beiden. Unisono betonen sie aber, dass sie sich nicht wirklich beachtet haben und zu diesem Zeitpunkt kein Interesse aneinander hegten.

Der zweite Zufall – und die grosse Liebe

Kurze Zeit später wurde Köbi von seinem Kollegen, welcher ihm beim letzten Tanzabend in Stein die Frau ausgespannt hatte, abermals zu einer Unterhaltungsveranstaltung eingeladen. An diesem Abend trafen Anna und Köbi, erneut durch Zufall, aufeinander.
Köbi meint: ,,diesmal häts direkt passed zwische öis…au wenn si e chlii z’gross für mi gsi isch.’’ Anna ergänzt: ,,i bi 1Meter 78zig gross gsi u de Köbi 1 Meter 67zig.’’

Aus diesen flüchtigen Begegnungen entstand eine wunderschöne Liebe, welche bereits ein Jahr später mit einer Hochzeit besiegelt wurde. Die beiden wurden darauf auch stolze Eltern von einem Sohn (Daniel) und einer Tochter (Sandra).
Anna erzählt mit Freude von ihren Kindern und dem gemeinsamen Familienleben. Auch vier Enkelsöhne und zwei Urenkel wurden ihnen geschenkt.

Angekommen im Paradies – Ein gemeinsames Leben zwischen Salgesch und den Erinnerungen

Auf die Frage wie die beiden im Wallis gelandet sind sagt Anni direkt: ,,das isch em Köbi sii Schuld.’’

Jakob arbeitete als Chauffeur in einer Transportfirma und musste immer wieder Holz und andere Materialien ins Wallis transportieren. Das Tal hat es Köbi angetan und so entschieden sich die beiden dazu, 1991 die gemeinsamen Ferien auf dem Camping Swissplage in Salgesch zu verbringen.

Vom Ferienplatz zum Zuhause

Bereits ein Jahr später kamen sie zurück und fragten nach, ob es eine Möglichkeit gäbe, das gesamte Jahr über auf dem Camping zu bleiben. Ab 1993 hatten sie dann einen fixen Platz und kamen jeweils ein Mal im Monat für ein verlängertes Wochenende nach Salgesch. Als Köbi dann in Pension ging, verbrachte das Ehepaar bis zu neun Monate pro Jahr im Wallis. Da fassten sie den Entschluss, ihr Haus zu verkaufen und eine Wohnung in Salgesch zu mieten. Von nun an verbrachten sie die Sommer auf dem Camping und im Winter lebten sie in der angemieteten Immobilie im Dorf. Anna sagt: ,,de Köbi u ich hei ses nie bereut, dass mer is Wallis zoge sii.’’

Das Geheimnis des Glücks

Während der Zeit im Mittelwallis unternahmen sie auch viele Reisen durch ganz Europa mit ihrem Wohnmobil. Auf die Frage nach dem Geheimnis ihrer glücklichen Liebe antworten beide: ,,Kommunikation ist der Schlüssel.’’ Sie haben immer über alles miteinander gesprochen und Kompromisse gesucht. Köbi meint: ,,z’Anni und ich si immer im Friede is Bett! Das sötsch du mit dire Frau au mache!’’